Wohlfeile Forderungen aufstellen, das ist eine Lieblingsbeschäftigung von Entwicklungshilfsorganisationen. Denn das ist sogar noch weniger anstrengend als im klimatisierten SUV in der Dritten Welt herumzukurven und wichtig zu tun.
Ganz vorne dabei in diesem Spiel ist Swissaid. Die kümmerst sich im Prinzip um so sinnvolle Dinge wie Empowerment oder nachhaltige Landwirtschaft in Gegenden der Welt, wo eines der Hauptprobleme der Menschen darin besteht, überhaupt genug zu essen zu bekommen.
Aber leider hat Swissaid gemerkt, dass auch im 75. Jahr seiner Existenz Erfolgsmeldungen darüber nicht wirklich Resonanz in der Öffentlichkeit finden. Da musste ein Thema her, ein Reizthema, irgend was, was die Menschen in der Schweiz bewegt.
Blutdiamanten? Schon gut besetzt als Thema. Menschenhandel, Prostitution? Eher heikel, wer da mitspielt, ist eher skrupellos und reagiert nicht sehr freundlich auf Kritik. Aber, Heureka, es gibt ein Thema, mit dem man in der Öffentlichkeit landen kann.
Gold.
Gold ist ein Mythos. Seit Menschengedenken. Gold ist unzerstörbar. Gold ist schmutzig, wird mit Kinderarbeit unter unmenschlichen Arbeitsbedingungen gewonnen. Gold wird zur Finanzierung von allerlei schlimmen Dingen verwendet. Bürgerkriegen, Warlords, Diktaturen. Wunderbar, dachte sich Swissaid. Da können wir was machen. Nur was?
In allen Ländern, in denen Swissaid Projekte unterhält, gibt es keine nennenswerte Goldgewinnung. Ausser vielleicht in Kolumbien, und da macht Swissaid – genau nichts. Obwohl hier viele kleine Minen existieren, mit fürchterlichen Folgen. Unfälle, Tote, Verletzte, die in Selbstausbeutung versuchen, etwas zu verdienen.
Aber am Schreibtisch einen anklägerischen «Goldreport» verfassen, das geht. Damit hat sich der Swissaid-Mitarbeiter Marc Ummel eine Sinekure geschaffen, die den «Verantwortlichen Dossier Rohstoffe» weit in die Welt hinaustreiben. Dubai, Lissabon, London, wo eine Goldkonferenz ist, da ist auch Ummel. Spesen werden von Spendern und Steuerzahlern bezahlt, wunderbar.
Gerade fand in London eine Konferenz über Nachhaltigkeit und verantwortungsvolle Beschaffung im Goldgeschäft statt. Ummel war dort, und Swissaid «fordert: LBMA muss Goldstandard endlich verbessern». Die LBMA ist sozusagen die Oberbehörde des Goldmarkts, die Standards definiert und Zertifikate erteilt.
Aber Swissaid schimpft: «Es ist höchste Zeit, der Verletzung von Menschenrecht und Umweltverschmutzung in Goldminen einen Riegel zu schieben.» Dafür stellt Swissaid mit anderen Organisationen zusammen neun Forderungen auf, diese Punkte müssten «dringend angegangen» werden.
In Kolumbien? Ach was, einfach überall, irgendwie, irgendwann. Wer soll da was machen? Die Raffinerien seien intransparent «in Bezug auf ihre Bezugsquellen in den Minen». Grund dafür seien «Menschenrechts- und Umweltprobleme». Dieses Beispiel belegt das ganze Elend dieser hohlen Forderungen.
Wer ist genau intransparent, und wie zeigt sich das? Sind alle Raffinerien gleich intransparent? Welche Anstrengungen werden unternommen, um die Transparenz zu erhöhen?
Sobald es konkret wird, kneift Ummel, kneift Swissaid. Aber eine Woche in London, bezahlt natürlich, ist doch auch immer wieder schön.