Staaten wie Niger in Afrika haben viele Probleme. Das völlig verarmte Land steht auf dem 189. Platz des Indexes der menschlichen Entwicklung. Das BIP pro Kopf beträgt (soweit hier Statistiken überhaupt zu trauen ist) kaufkraftbereinigt etwas über 1500 Dollar. Pro Jahr. Niger ist schlichtweg das ärmste Land der Welt.
2023 fand der letzte Putsch statt, durch den ein gewählter Präsident abgesetzt wurde. Für Bildung gibt der Staat lächerliche 3,5 Prozent des BIP aus. Die Ermordung von Oppositionellen ist Alltag. Die Staatsverschuldung wächst beständig, das BIP hingegen nur marginal. Das Land hängt mit 70 Prozent seiner Exporte vom Uranabbau ab, der von einer französischen Firma betrieben wird. Das Land wird regelmässig von Hungersnöten heimgesucht. Die korrupte Herrscherkaste verdient zudem an dem Schleusen von Migranten.
Also ein wahres Elendsloch mit fundamentalen Problemen, deren Behebung einen Volksaufstand und eine völlige Veränderung des politischen Systems zur Voraussetzung hätte.
Obwohl Swissaid hier seit 1974 tätig ist, hat sich daran überhaupt nichts geändert. Und obwohl Swissaid hier jährlich 3,5 Millionen Franken verröstet. Pardon, in sinnvolle Projekte steckt.
Zum Beispiel? Lassen wir das Swissaid selbst schildern, denn es ist doch eher unfassbar:
«Im Niger unterstützt SWISSAID mehrere Projekte, die den Zugang zu Wasser und die Förderung der Hygiene verbessern. In der Region Boboye im Südwesten des Landes haben 55 Prozent der Bevölkerung keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser und über 75 Prozent keine Latrinen.
«Besonders schwierig ist die Situation für Mädchen während ihrer Menstruation. Ohne sanitäre Einrichtungen in der Nähe der Klassenzimmer und ohne Periodeneinlagen bleiben viele von ihnen dem Unterricht fern», bedauert Haouaou Tondi, Gender-Projektbeauftragte von SWISSAID Niger. Im Projektgebiet hat es bei sieben von 18 Primarschulen keine Toilette und bei allen Schulen fehlt jede Möglichkeit, um die Hände zu waschen.
Um den Alltag der Bevölkerung und insbesondere der Frauen zu verbessern, unterstützt SWISSAID den Bau von Brunnen und Toiletten auf dem Schulgelände. Von den 18 Grundschulen, die im Projektgebiet gezählt wurden, sind bereits elf mit Toiletten ausgestattet worden. Darüber hinaus werden Frauen und Männer über Menstruationshygiene aufgeklärt, unter anderem durch Kampagnen in den Dörfern.»
Natürlich ist es in jedem Einzelfall toll, wenn ein Mädchen auch während der Menstruation die Schule besuchen kann. Es ist aber weniger toll, dass die meisten Mädchen auch dann die Schule nicht besuchen können, wenn sie nicht menstruieren. Was ebenso für Knaben gilt. Denn Niger hat eine Analphabetenrate von schwindelerregenden 70 Prozent. Weltrekord. Durchschnittlich besucht ein Nigerianer 2,1 Jahre lang eine Schule.Schulklassen können ohne weiteres 60 oder 100 Schüler umfassen, Unterrichtsmaterial ist kaum vorhanden. Kinderarbeit ist natürlich weitverbreitet.
Angesichts solcher Zustände ist die Ausrüstung von ganzen elf Schulen mit Toiletten schlichtweg lachhaft. Es ist peinlich und zeugt von der Realitätsferne der Entwicklungshelfer von Swissaid, dass sie sich überhaupt getrauen, das als ihren Beitrag zum diesjährigen Tag der der Frau anzupreisen.
Niger hat schätzungsweise 26 Millionen Einwohner, fast die Hälfte ist zwischen 0 und 14 Jahre alt, lediglich 2,4 Prozent sind älter als 65. Das bedeutet, dass eine weitere Generation von Analphabeten heranwächst, womit sich die Probleme des Landes perpetuieren.
Hier etwas für den Zugang zu Trinkwasser zu tun, bessere Agrarökologie zu lehren und schliesslich Zeit, Energie und Geld in «Sensibilisierungsmassnahmen» über die «wirtschaftliche, soziale und politische Rolle der Frau» zu stecken, das sind nicht mal Tropfen auf einen heissen Stein. Das ist nicht mal Hilfe zur Selbsthilfe, das ist reine Selbstbefriedigung der Helfer.
Wie nutzlos all das Tun ist, beweisen Alarmmeldungen von Swissaid selbst.
29.02. 2024: «Niger steht erneut vor einer Hungerkrise»
15.04. 2024: «Ausweitung der Nothilfe im Niger»
Das Fatale daran ist: das ist keine Nothilfe, sondern ein typischer Fall von Todeshilfe, wie das die sambische Wissenschaftlerin Dambisa Moyo nennt. Sie hat in ihren Büchern sicherlich an Fälle wie Niger gedacht, als sie die sofortige Einstellung jeglicher Entwicklungshilfe forderte. Wegen erwiesener Nutzlosigkeit, erwiesener Schädlichkeit.
Ach, und ein absurdes Problem mit Niger hat auch das Schweizer Fernsehen. Denn im Rahmen der politisch korrekten Sprachsäuberung fiel es dort jemandem auf, dass der Begriff «Niger» ja nicht gerade positiv kotnotiert ist. Allerdings im Englischen, und der Landesname Niger leitet sich keineswegs von einem englischen Schimpfwort für Schwarzer ab.
Aber, das hilft dem Land ungefähr so viel wie die Tätigkeit von Swissaid, seit einiger Zeit müssen alle Sprecher im Schweizer Fernsehen, zuvorderst in der «Tagesschau«, bei den wenigen Malen, bei denen eine neue Hungersnot eine kurze Meldung provoziert, gekünstelt «Nischee» sagen. Womit sie lediglich erreichen, dass sich viiele Zuschauer fragen, von welchem Land hier eigentlich die Rede sei. Ach, von Niger, sagen sich dann einige.