Helmut Scheben kann man sicherlich nicht vorwerfen, dass er ein rechter Populist sei. Schliesslich war er mal in der Guerilla in Lateinamerika dabei und arbeitete jahrelang für die WoZ. Ideologisch unverdächtig.
Umso eindrücklicher seine Abrechnung mit all den hilflosen Helfern von Swissaid und anderen NGO, die so tun, als hülfen sie der Dritten Welt, dabei verschaffen sie sich bloss selbst ein angenehmes Leben. Denn so viel, wie beispielsweise der Geschäftsleiter von Swissaid verdient, das bekäme er nirgends sonst.
Scheben holt zuerst weit in die Vergangenheit aus: «Die moralische Doktrin, der Westen sei berufen, «unterentwickelten Völkern beizustehen» und ihnen seine Philosophie von einem glücklichen Way of Life nahezubringen, eventuell militärisch, hat eine lange Tradition.»
Dann zitiert er das Buch von Brigitte Erler. Die SPD-Bundestagsabgeordnete und jahrelang in der Entwicklungshilfe tätig forderte, alle staatlichen Hilfsprojekte müssten sofort eingestellt werden, weil wir «überall dort, wo wir helfen wollen, nur Unheil anrichten». Sie wusste, wovon sie sprach.
Und noch mehr Zeugen stapelt Scheben aufeinander:
«Die Niederländerin Linda Polman («War Games: The Story of Aid and War in Modern Times») sagt, Hilfsorganisationen seien «Wirtschaftsbetriebe, getarnt als Mutter Teresa».»
Und schliesslich Dambisa Moyo: sie «fordert keinen schockartigen Stopp der humanitären Hilfe und keinen abrupten Abbruch der Geldtransfers, sondern ein stufenweises Aussteigen aus der «Droge Entwicklungshilfe».»
Schliesslich zieht er selbst bittere Bilanz: «Ich habe viele Helferinnen und Helfer persönlich kennengelernt. In den Polisario-Flüchtlingslagern in der Sahara habe ich Mechaniker gesehen, die versandete Pumpen reparierten, und in Zentralamerika Ärztinnen, die in den Kriegen medizinische Hilfe leisteten. Anständige Leute. Mit einigen bin ich bis heute befreundet. Und wenn ich sie frage, wem sie geholfen haben, sagen sie ehrlich: «Am meisten mir selber. Aber ich habe wenigstens erkannt, wo die Probleme sind.»»
Helfer helfen sich selbst. Helfer haben keine Ahnung, wie die Gesellschaften funktionieren, denen sie helfen wollen. Sie erfinden immer wieder neue Bezeichnungen für ihr Geschäft. Entwicklungszusammenarbeit, Hilfe zur Selbsthilfe, Empowerment, Stärkung zivilgesellschaftlicher Strukturen, Sensibilisierung, Zivilgesellschaft, Rolle der Frau und all die Worthülsen, mit denen auch Swissaid um sich wirft.
Dabei ist und bleibt die bittere Wahrheit: all diese Formen von Entwicklungshilfe nützen nichts, schaden nur. Befriedigen die Helfer, aber ändern nichts an den Situationen, die sie vorfinden.
Keinem Land, in dem Swissaid seit seiner Gründung vor vielen Jahren tätig war oder ist, geht es heute besser. Den meisten geht es schlechter.
Scheben resümiert seine Erfahrungen in Nicaragua. Ein Land, in dem Swissaid als eine der letzten NGO immer noch tätig ist, obwohl das nur der brutalen Diktatur nützt:
«In Nicaragua habe ich eine Agrarreform in allen Phasen miterlebt und darüber berichtet. Da wurde eine Fata Morgana als entwicklungspolitischer Erfolg verkauft. Bis 1984 wurden 1,4 Millionen Hektar Land mit Besitztiteln versehen. Offiziell waren 3000 Kooperativen registriert. Davon funktionierten vielleicht hundert. Die andern existierten nur auf dem Papier im Agrarministerium. Ich weiss nicht, wie viele Millionen Dollar (aus dem Ost- und dem Westblock!) damals nach Nicaragua flossen. Ich weiss nur, dass ich heute nicht mehr ins verarmte Nicaragua reisen will, um verrottete Zuckerrohrmühlen zu sehen, wo aus verrosteten Maschinen das Gras wächst. Wir wollen alles schnell und effizient machen und merken immer zu spät, was wir angerichtet haben.»
Swissaid wird es wohl nie merken, weil die Stiftung sonst ihre Existenzberechtigung verlöre. Und ihre Angestellten ihren Job. Und wer will das schon.